Blütenknsopen, Blattknospen und schlafende Augen
Im Dezember ruht die Gartenarbeit. Es ist schön, Zeit zu haben, durch den Garten zu spazieren und sich Bäume und Sträucher anzuschauen, wie sie so durch den Winter kommen. Ich finde es jedes Jahr von Neuem faszinierend, wie viel ein kahler Baum zu erzählen hat.
Ach ja, und da fällt mir ein, es steht doch Gartenarbeit an: der Obstbaumschnitt.
Doch jetzt ist erst einmal Zeit zum Beobachten. Am Birnbaum zum Beispiel lassen sich hervorragend die unterschiedlichen Knospenarten erkennen:
Blütenknospen
Sie sind rundlich, dicker, oft an kürzeren, seitlichen Trieben (Fruchtholz). Sie werden bereits im Sommer angelegt und wir können an ihnen erahnen, wo der Baum blühen und Früchte ansetzen wird.
Obstbäume legen die Blütenknospen für das nächste Jahr bereits im Frühsommer des Vorjahres an. Dieser Prozess beginnt ab Mitte Juni, also während des gleichzeitig stattfindenden Triebwachstums. Nur Triebe, die ihr Wachstum bereits im Lauf des Frühsommers einstellen und mit einer Endknospe abschließen, bilden gute Blüten aus. Wachsen die Triebe bis in den Spätsommer hinein, werden fast keine Blüten mehr gebildet, sondern nur noch Blattknospen.
Flacher stehende Triebe, die weniger wüchsig sind als steil stehende Triebe, bilden demnach schneller Blütenknospen. Diese Obstbäume kommen schneller in den Ertrag.
Wichtige Merkmale:
- Apfel/Birne: Blütenknospen entwickeln sich meist am Ende einjähriger Triebe oder seitlich an kurzem Fruchtholz; Blätter erscheinen vor der Blüte.
- Steinobst (Kirsche, Zwetschge, Pfirsich): Blütenknospen erscheinen oft büschelweise; manche Steinobstsorten bilden Blüten am letztjährigen Neutrieb
Blattknospen
Sie sind spitzer, schlanker, sitzen meist an längeren Trieben, die stark in die Höhe wachsen (Holztriebe). Der Baum braucht sie, die Blätter werden ihn und die Früchte ernähren. Wir können an ihnen erkennen, wo wir den Schnitt für den Kronenaufbau ansetzen.
So wachsen Obstbäume
Die wichtigsten Wachstumsgesetze heißen Spitzenförderung, Oberseitenförderung und Scheitelpunktförderung.
Spitzenförderung (Akrotonie)
Steht ein Trieb senkrecht, wird die Spitzenknopse (meist eine Blattknospe) am stärksten austreiben, gefolgt von der zweithöchsten Knospe und so weiter.
Oberseitenförderung (Epitonie)
Ist der Trieb leicht geneigt, verteilen sich die Wuchsstoffe auf mehrere Knospen auf der Oberseite. Die Augen auf der Oberseite treiben am stärksten aus, aber nicht ganz so stark wie bei der alleinigen Spitzenförderung.
Scheitelpunktförderung (Mesotonie)
Die höchstgelegenen Knospen am Scheitelpunkt eines gebogenen Triebes treiben am stärksten aus. Die benachteiligten Knospen beenden ihr Wachstum früher im Jahr. Diese Knospen können im gleichen Jahr noch Blüten ausbilden.
Schlafende Augen
Beim Kernobst bleiben Blattknospen, die noch nicht ausgetrieben sind, über mehrere Jahre triebfähig. Sogenannte Beiaugen oder schlafende Augen werden beim Ausfall der eigentlichen Knospe aktiviert.
Ausnahme Pfirsich
Hier lassen sich die beiden Knospenarten im Winter nicht so gut unterscheiden. Erst im April, kurz vor der Blüte lassen sie sich unterscheiden, daher schneidet man einen Pfirsichbaum auch am besten zu diesem Zeitpunkt oder nach der Blüte.
Die unterschiedlichen Knospenarten kann man auch an Ziergehölzen wunderbar erkennen: Magnolien und Azaleen zum Beispiel bilden besonders dicke und runde Blütenknospen schon im Sommer. Ist bis August nichts angelegt, werden die Sträucher im kommenden Jahr nicht blühen. Aber dann wieder im folgenden Jahr…
Viel Spaß beim Beobachten und Staunen!